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HBS Böckler Impuls

Mitbestimmung: Wenn Chinesen investieren

Ausgabe 15/2017

Wo chinesische Investoren das Ruder übernommen haben, sind Beschäftigte und ihre Vertreter bislang meist zufrieden. Ob es längerfristig so weitergeht, ist allerdings offen.

Chinesische Manager, die nach Deutschland kommen, um ein mittelständisches Unternehmen zu übernehmen, wissen zunächst oft nicht, was Mitbestimmung bedeutet. Doch sie sind lernwillig. Was chinesische Konzerne, abgesehen vom Zugang zum europäischen Markt, an deutschen Firmen reizt, sind vor allem Forschung, Facharbeit und Qualitätsproduktion. Dass auch Mitbestimmung und Tarifbindung zum deutschen Modell gehören, akzeptieren die neuen Eigentümer häufig. Betriebs- und Aufsichtsräte haben oft mehr Stress mit den verbliebenen deutschen Managern als mit Vertretern der chinesischen Investoren. Das liegt vor allem daran, dass sich Investoren aus Cina zunächst kaum in das operative Geschäft einmischen. Dieses Stimmungsbild ergibt sich aus einer Reihe von Fallstudien im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung. Fraglich sei jedoch, was geschieht, wenn die Übernahmephase überstanden ist und beispielsweise die ersten Beschäftigungsgarantien auslaufen, so Mitbestimmungsexperte Oliver Emons.

In Sachen Direktinvestitionen war China jahrzehntelang vor allem ein Empfängerland. Das ist seit Anfang der 2000er-Jahre anders. Heute sind mehr als 20 000 chinesische Investoren bei gut 30 000 Firmen in 188 Ländern aktiv. Seit 2015 ist China der zweitgrößte Direktinvestor nach den USA. Nach Deutschland flossen im vergangenen Jahr 13 Milliarden Euro, was fünf Prozent der Investitionen der hiesigen Industrie entspricht. Dabei sind indirekte Investitionen nicht mitgerechnet, wie Paul Welfens, Wirtschaftsprofessor an der Universität Wuppertal, zu bedenken gibt. Ein Beispiel sei die Übernahme von Opel durch den französischen PSA-Konzern: An PSA ist der chinesische Investor Dongfeng mit 14 Prozent beteiligt; sollte Dongfeng seine Anteile erheblich aufstocken, könnte Opel chinesisch werden. 

Bis 2020 dürfte China zu einem „Großinvestor in Deutschland“ werden, ist Welfens überzeugt. Einen zusätzlichen Schub werde die Investitionsdynamik durch den Brexit bekommen: Wenn Großbritannien seine Rolle als Tor zum EU-Markt einbüßt, werde Deutschland für chinesische Investoren wichtiger. Dabei gewinnt der Sektor Kommunikationstechnologie an Bedeutung. Beispiele sind die Beteiligung von Lenovo an Medion oder die Huawei-Niederlassungen in München und Düsseldorf.

Aus Sicht der Beschäftigten erwies sich die Übernahme von Betrieben durch chinesische Investoren zumeist als vorteilhaft, wie Befragungen von Arbeitnehmervertretern zeigen. Anders, als es Beschäftigte erleben mussten, deren Firmen von westlichen Finanzinvestoren geschluckt wurden, gingen Chinesen bisher meist behutsam vor und setzten auf eine nachhaltige Entwicklung. Das deutsche Management blieb meist im Amt, Massenentlassungen brauchte niemand zu fürchten. Sofern es sich bei den Investoren um chinesische Staatskonzerne handelt, erklärt sich das bereits durch die Direktiven der Regierung: keine Regelverstöße, keine schlechte Presse! Der Führungsstil werde von Betriebsräten häufig als autoritär wahrgenommen, beobachtet Emons. 

Die Zahl der Beschäftigten hat sich bei den betroffenen Unternehmen in aller Regel positiv entwickelt. Anhaltspunkte für Verlagerungen nach China konnten Forscher bisher nicht erkennen. Ähnlich verhält es sich in puncto Forschung und Entwicklung: Natürlich werde Knowhow abgeschöpft, dennoch würde auch an den deutschen Standorten weiterhin in Forschung investiert. Was die Mitbestimmung betrifft, waren chinesische Manager bisher bereit, sich den hiesigen Gepflogenheiten anzupassen: Wo es Betriebs- und mitbestimmte Aufsichtsräte sowie Gewerkschaften gibt, werden sie bei Entscheidungen einbezogen. Zum Teil berichten Arbeitnehmervertreter, dass die neuen Eigentümer ihnen einen höheren Stellenwert zubilligen als die alten. 

Damit erscheinen chinesische Direktinvestitionen in Deutschland aus Beschäftigtenperspektive bis jetzt überwiegend als Erfolgsgeschichte. Allerdings seien auch einige Relativierungen nötig, wie Wirtschaftsexperten und Betriebsräte betonen. So haben viele Unternehmen die größten Einschnitte und Sanierungsprogramme bereits hinter sich, wenn das Eigentum an eine chinesische Gesellschaft übergeht. Zudem sei unklar, wie sich deren Verhalten in Zukunft entwickle. Wenn die „Lernphase“, in der sich chinesische Konzerne mit ihren Auslandsengagements befinden, abgeschlossen sei, könnten sie zu einer härteren Gang­art übergehen. Dasselbe könne als Folge politischer Krisen oder wirtschaftlicher Rückschläge in China geschehen. In jedem Fall sollten die Mitbestimmungsakteure bei möglichen Übernahmen von Anfang an einbezogen werden.

  • China ist der zweitgrößte Direktinvestor Zur Grafik

Chinesische Investitionen 2016, MBF-Report Nr. 37, Oktober 2017, im Erscheinen 

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