Quelle: HBS
Service aktuellSystemrelevant Podcast: Ein Element zur Stärkung der Tarifbindung
Ernesto Klengel spricht über die konditionierte Allgemeinverbindlicherklärung und warum diese als Instrument zur Festigung der Tarifbindung gelten kann.
[05.03.2024]
Die Tariflandschaft in Deutschland ist stark ausgedünnt. Gegenwärtig verfügt nur noch gut die Hälfte der Beschäftigten über einen Tarifvertrag. Die Europäische Union schreibt vor, dass Mitgliedsstaaten Maßnahmen ergreifen müssen, um das Tarifsystem zu stabilisieren, wenn die Abdeckung weniger als 80 Prozent beträgt. Dies soll einen Beitrag zur Bekämpfung von Niedriglöhnen, Armut und sozialer Ungleichheit leisten. Doch welche Maßnahmen könnten dies sein?
In diesem Zusammenhang rückt die Diskussion der Reform der Allgemeinverbindlicherklärung zunehmend in den Fokus. Sie ist ein wesentliches Instrument, um die Geltung von Tarifverträgen auch auf Arbeitgeber*innen auszudehnen, die keiner Arbeitgebervereinigung angehören oder durch einen individuellen Tarifvertrag gebunden sind. Gleichzeitig erweisen sich exklusive Leistungen für Gewerkschaftsmitglieder und Differenzierungsklauseln als effektive Mittel, um die Attraktivität der Gewerkschaftsmitgliedschaft auf Seiten der Arbeitnehmer*innen zu erhöhen. Die Frage, die Ernesto Klengel und Marco Herack diskutieren ist, ob beide Instrumente miteinander kombiniert werden können, um sowohl die Anwendung von Tarifverträgen zu erweitern als auch die Tarifautonomie zu stärken.
Die Anpassung der Allgemeinverbindlicherklärung zu einer „konditionierten Allgemeinverbindlichkeit“ wird als Instrument zur Unterstützung des Tarifsystems betrachtet. Innerhalb der Branche bleibt der Tarifvertrag für alle Arbeitgeber*innen verbindlich, unabhängig von ihrer Mitgliedschaft in einem Verband. Jedoch – und hier liegt die Herausforderung – gelten die konditionierten tarifvertraglichen Leistungen ausschließlich im Verhältnis zu den durch Mitgliedschaft gebundenen Arbeitnehmer*innen.
Die „konditionierte Allgemeinverbindlicherklärung“ unterstützt gewichtige Interessen der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie, so Klengel. In den letzten Jahren habe die Tarifbindung abgenommen, was zu einem Ungleichgewicht zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen führt. Ohne Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen haben Arbeitgeber*innen einen Vorteil, wie zum Beispiel beim Thema Vergütung. Um die Tarifbindung zu stärken, werden verschiedene Überlegungen angestellt, darunter die Allgemeinverbindlicherklärung von Mitgliedervorteilen als ein Element zur Stärkung der Tarifbindung.
Welche Rolle bei diesem Thema die ab November 2024 allgemeingültige Mindestlohnrichtlinie spielt, erfährt man im weiteren Verlauf dieser Folge.
[Moderation: Marco Herack]
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In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.
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Christina Schildmann