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Corona-Hilfen schützen die Demokratie Böckler Impuls

Gesellschaft: Corona-Hilfen schützen die Demokratie

Ausgabe 18/2020

Wer besonders von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie betroffen ist, ist eher offen für harsche Kritik an der Corona-Politik und sogar für Verschwörungsmythen.

Maskenpflicht, Abstandsgebote, Schließung öffentlicher und privater Einrichtungen – die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie werden von weiten Teilen der Bevölkerung mitgetragen, rufen aber auch viel Unmut hervor. Wie die jüngsten Proteste mit mehreren Tausend Teilnehmern zeigen, geht es dabei nicht immer um die Wirksamkeit oder Angemessenheit einzelner Anti-Corona-Maßnahmen. Stattdessen werden häufig krude, mit rationalen Argumenten nicht belegbare Thesen vertreten. Etwa, das Virus existiere gar nicht, sondern sei eine Erfindung finsterer Eliten, die sich durch eine vorgetäuschte Pandemie an die Macht bringen wollten. Oder das Virus sei zu eben diesem Zweck im Labor entwickelt worden. Manche glauben auch beides gleichzeitig – Widersprüche scheinen nicht zu stören. Aber wer sind die Menschen, die empfänglich für so viel Irrationalität sind? Sozialwissenschaftler Andreas Hövermann von der Hans-Böckler-Stiftung hat die Ergebnisse einer Befragung ausgewertet, um sich einer Antwort zu nähern. Daran haben sich über 6000 Erwerbspersonen einmal Anfang April und einmal Ende Juni 2020 beteiligt. In Kürze werden Daten einer weiteren Befragungswelle vorliegen. Dann dürften sich die Haltungen der Befragten aufgrund der veränderten Situation weiter ausdifferenzieren und der Anteil derer wachsen, die sogar für strengere Regeln gegen Corona plädieren, erwartet Hövermann. 

Auf Basis der vorliegenden Daten warnt der Forscher allerdings: „Alles in allem zeigen die Analysen ein erhebliches Ausmaß an Konfliktpotenzial in der Bevölkerung über die Corona-Schutzmaßnahmen. Wie eng hier Zweifel, Unzufriedenheit und obskure Verschwörungsmythen zusammenhängen, sollte aufhorchen lassen, da letztere schnell zu einer Abkopplung vom demokratischen Diskurs führen können und mit Gewaltbefürwortung verknüpft sind.“ Benachteiligte und stark belastete Gruppen, die etwa während der Pandemie Einkommensverluste hinnehmen mussten, neigten häufiger als andere zur Kritik an Anti-Corona-Maßnahmen. Umso wichtiger sei es, diese Gruppen bei der Vergabe von staatlichen Hilfsmaßnahmen stärker zu berücksichtigen. Unterstützungsleistungen könnten Gefühlen des Kontrollverlusts entgegenwirken, politisches Vertrauen und gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.

In der ersten Befragungswelle im April 2020 gaben die Teilnehmer unter anderem zu Protokoll, ob sie mit den Maßnahmen der Bundesregierung zufrieden sind, ob sie die Demokratie durch Einschränkungen der Freiheitsrechte in Gefahr sehen oder ob sie die wirtschaftlichen Konsequenzen der Anti-Corona-Maßnahmen letztlich für gravierender halten als die Pandemie selbst. Im Juni, in der zweiten Welle, kamen Fragen hinzu, die direkt auf die Haltung der Befragten zu Protesten gegen Corona-Einschränkungen zielten, ob sie das Virus wirklich für so gefährlich halten wie behauptet oder ob sie glauben, dass Reiche und Mächtige die Pandemie nutzen, um ihre Interessen durchzusetzen. 

Insgesamt zeigt sich zwar, so Hövermann, dass die Mehrheit die Schutzmaßnahmen für berechtigt hält. Andererseits deuteten die Ergebnisse aber darauf hin, „dass bereits zum frühen Zeitpunkt der Pandemie Zweifel und ein gewisses Maß an Widerstand innerhalb der Erwerbsbevölkerung vorhanden“ waren, die bis Juni noch einmal deutlich anstiegen. Zudem konstatiert der Forscher, dass vor allem im Juni, „ein tiefliegendes Politikmisstrauen und der Glaube an eine konspirative Elitenverschwörung relativ weit verbreitet“ waren. Die kritischen Aussagen seien „eng miteinander korreliert, sodass Zweifel, Unzufriedenheit und Glaube an Verschwörungsmythen bei den Befragten nicht weit auseinanderliegen“.

Zu kritischen Positionen gegenüber der Anti-Corona-Politik neigen Männer etwas eher als Frauen, Jüngere eher als Ältere, Ostdeutsche stärker als Westdeutsche und Menschen ohne oder mit niedrigeren Schulabschlüssen stärker als solche mit Abi­tur. Ähnliches gilt für die Staffelung nach Einkommen.

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