Quelle: HBS
Magazin MitbestimmungPorträt: Die Zentrale geht vor
Beate Bockelt ist Mitglied im Aufsichtsrat der Hoechst GmbH, einer Tochter des französischen Konzerns Sanofi. Von Carmen Molitor
In Sachen Mitbestimmung kann Beate Bockelt eigentlich nicht klagen: Die Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der Sanofi Aventis Deutschland GmbH und Aufsichtsrätin der Hoechst GmbH lobt die verlässliche Zusammenarbeit mit der deutschen Geschäftsführung. Das Vertrauen sei gewachsen, gemeinsam habe man manche Herausforderung gemeistert, seit der deutsche Pharmariese Hoechst zerschlagen, zum Aventis-Konzern umgemodelt und 2004 vom kleineren französischen Konkurrenten Sanofi geschluckt worden war. Zuletzt konnten Arbeitgeber und Betriebsräte einen geforderten Personalabbau von 600 Stellen in der Forschung innerhalb von zwei Jahren sozialverträglich organisieren. „Unsere Geschäftsführer haben erfahren, dass es besser ist, den Betriebsrat so früh wie möglich ins Boot zu nehmen“, sagt Bockelt. Vor Ort läuft es also rund mit der Mitbestimmung. „Wir haben bloß das Problem, dass wir die deutsche Tochter eines französischen Konzerns sind“, seufzt die GBR-Vorsitzende.
In Frankreich haben Arbeitnehmervertreter erheblich geringere Mitbestimmungsrechte. Im obersten Entscheidungsgremium, dem Verwaltungsrat, haben sie nur Gaststatus. Und im Eurobetriebsrat nach französischem Recht ist der Arbeitgeber der Vorsitzende. Das aus deutscher Sicht seltsame Konstrukt brachte den ehemaligen Aventis-Betriebsräten aber direkt nach der Übernahme durch die Sanofi S.A. auch Vorteile.
Damals leitete der Vorstandsvorsitzende Jean-Francois Dehecq, ein Patron vom alten Schlag, die Sitzungen und war darauf bedacht, die Betriebsräte gut über seine Pläne zu informieren, um das Misstrauen gegenüber der Konzernmutter zu mildern. Unter Dehecqs Nachfolgern an der Spitze des Gremiums sei diese Wertschätzung mit den Jahren abgekühlt, sagt Beate Bockelt. „Die Zentrale steht im Mittelpunkt. Wir anderen sind eben Satelliten, die mit Informationen versorgt werden – oder auch nicht“, erklärt sie.
„Herrin der Lage“ steht heute selbstbewusst und ein bisschen augenzwinkernd an der Wand ihres Büros im Industriepark Höchst. Bis es so weit war, musste sie im GBR wie im Aufsichtsrat ihre Rolle erst finden. Bockelt sitzt in einem von insgesamt zwei Aufsichtsräten des Sanofi-Konzerns in Deutschland. Die Hoechst GmbH gibt es lediglich aus patentrechtlichen und steuerlichen Gründen noch, sie soll die Rechtsnachfolge der alten Hoechst sichern und die Gewinne der Sanofi Aventis Deutschland GmbH entgegennehmen, die ebenfalls einen Aufsichtsrat hat. Die beiden Aufsichtsgremien bearbeiten ähnliche Tagesordnungen, und die Arbeitnehmervertreter der beiden Gremien arbeiten zusammen: „Die Hoechst-Aufsichtsräte werden immer als Gäste zu den Sanofi-Sitzungen eingeladen.“
Als Aufsichtsratsmitglied erfährt die GBR-Vorsitzende die strategischen Schachzüge des Konzerns früh. Aber sie darf über ihr Wissen nicht sprechen – insbesondere, wenn es börsenrelevant wird. Ein Zwiespalt für die im Kollegenkreis gut verdrahtete Betriebsrätin. Sie setze sich deshalb dafür ein, dass die Themen schnell in den Wirtschaftsausschuss kommen und damit als offizielle Information gelten können, sagt sie.
Die gute Zusammenarbeit mit der deutschen Geschäftsführung setzt sich laut Bockelt auch im Aufsichtsrat fort. „Wir agieren da quasi als Interessenvertretung für den Standort Deutschland“, sagt sie. Es sei Tradition, dass sich die Arbeitnehmervertreter am Tag vor den Sitzungen mit den Geschäftsführern treffen und darüber austauschen, welche Themen sie wie platzieren wollen. Bockelts Kompass ist klar: Sie will Arbeitsplätze und Perspektiven für die Zukunft sichern. Ein neuer CEO in Paris krempelt gerade die Konzernstruktur komplett um und will bis zu 30 Prozent der Belegschaft in befristete oder Leiharbeitnehmer umwandeln.
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Zur Person
Beate Bockelt, 52, ist ein echtes „Hoechst-Gewächs“: Schon ihre Ausbildung zur Chemielaborantin absolvierte sie bei der Hoechst AG in Frankfurt am Main und war dort 26 Jahre, bis 2010, in der pharmazeutischen Entwicklung (Galenik) tätig. Bockelt trat früh in die IG BCE ein, engagierte sich in ihrer Berufsgruppe und als Vertrauensfrau und wurde 2001 in den Betriebsrat gewählt. 2012 übernahm sie den Vorsitz im Gesamtbetriebsrat.