Quelle: HBS
Böckler ImpulsArbeitswelt: Digitalisierung: Kein Grund für Horrorszenarien
Maschinen werden die Arbeit der Zukunft verändern. Das heißt jedoch nicht zwangsläufig, dass massenweise Arbeitsplätze wegfallen.
In der Fabrik der Zukunft übernehmen Roboter das Kommando. Der Mensch wird überflüssig. Millionen von Arbeitsplätzen gehen verloren. Wenn es um die zukünftige Arbeitswelt geht, sind derartig düstere Prophezeiungen in Mode. Aber wie glaubhaft sind die Vorhersagen? Besonders eine Studie zweier Wissenschaftler aus Oxford sorgte für Schlagzeilen: Nach Berechnungen von Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne arbeiten 47 Prozent der Beschäftigten in den USA in Jobs, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten 10 bis 20 Jahren von Maschinen erledigt werden. Jeder zweite Arbeitsplatz könnte demnach der Technisierung zum Opfer fallen.
In den Medien werden diese Zahlen gerne zitiert, in der Wissenschaft sind sie umstritten: Nur weil einzelne Tätigkeiten automatisiert werden, bedeute das nicht, dass dadurch ganze Berufe wegfallen, argumentieren Forscher des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Maschinen könnten Arbeitsplätze verändern, ohne sie zu ersetzen. Die Beschäftigten könnten gewonnene Freiräume nutzen, um andere, schwer automatisierbare Aufgaben auszuüben. Zudem dürfe man gesellschaftliche, rechtliche und ethische Hürden bei der Einführung neuer Technologien nicht unberücksichtigt lassen. Das ZEW kommt zu dem Ergebnis, dass der Anteil der Beschäftigten, deren Job durch Automatisierung bedroht ist, in Deutschland „nur“ bei 12 Prozent liegt.
Forscherinnen der Universität Hohenheim gehen ebenfalls davon aus, dass die in der Öffentlichkeit kursierenden Zahlen zu hoch gegriffen sind: Die „einmalige Vielfalt der formalen Qualifikation der Erwerbstätigen in Deutschland“ lasse sich nicht einfach kopieren. Nicht nur wenige Hochqualifizierte, sondern die Mehrzahl der Beschäftigten sei in derLage, mit Unwägbarkeiten umzugehen. Anders ausgedrückt: Menschen können sich auf neue Technologien einstellen – und diese für sich nutzen.
Die Digitalisierung wirke sich nur „relativ moderat“ auf den Arbeitsmarkt aus, heißt es in einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Während Jobs mit Routinetätigkeiten verloren gingen, entstünden neue Arbeitsplätze mit höherer Qualifikation. So könnten in der Industrie 490.000 Arbeitsplätze bis 2025 wegfallen, jedoch auch 430.000 neue entstehen. Gleichzeitig schreite dadurch der Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft voran.
Einig sind sich die meisten Wissenschaftler, dass die Jobs von Geringqualifizierten am stärksten gefährdet sind. Umso mehr kommt es auf die Weiterbildung im Betrieb an. Wer bisher mit Routinearbeiten beschäftigt ist, muss auf anspruchsvollere Aufgaben vorbereitet werden.
Holger Bonin u.a.: Übertragung der Studie von Frey/Osborne (2013) auf Deutschland, ZEW Kurzexpertise Nr. 57, April 2015
Sabine Pfeiffer, Anne Suphan: Der AV-Index, Universität Hohenheim, Working Paper 1 2015
Marc Ingo Wolter u.a.: Industrie 4.0 und die Folgen für Arbeitsmarkt und Wirtschaft, IAB Forschungsbericht 8/2015