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HBS Böckler Impuls

Finanzpolitik: Mit Steuern gegen Ungleichheit

Ausgabe 10/2015

Wenn die Steuerpolitik stärker zugunsten einkommensschwacher Haushalte umverteilt, kann davon die gesamte Volkswirtschaft profitieren.

Der Spielraum für eine höhere Besteuerung von Besserverdienenden und Unternehmen ist größer als vielfach behauptet. Zu diesem Schluss kommen Sarah Godar, Christoph Paetz und Achim Truger von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin in einer aktuellen, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Analyse.

Bei der Besteuerung von Unternehmensgewinnen habe es in den vergangenen drei Jahrzehnten einen „internationalen Wettlauf nach unten“ gegeben. In den Ländern, für die OECD-Daten verfügbar sind, sei der Durchschnitt der Steuersätze seit 1981 um mehr als 20 Prozentpunkte gesunken. Auch die persönlichen Einkommensteuern seien stark zurückgegangen. So lag der Spitzensteuersatz im Jahr 1981 in den OECD-Ländern bei durchschnittlich 65,7 Prozent, im Jahr 2010 nur noch bei 45,8 Prozent. Zudem seien viele Regierungen dazu übergegangen, Kapitaleinkommen geringer zu besteuern als Arbeitseinkommen. Dadurch sei die Steuergerechtigkeit „zunehmend infrage gestellt“ worden, schreiben die Forscher.

Angesichts der wachsenden Ungleichheit und der angespannten Lage der öffentlichen Haushalte gebe es zwar Anzeichen für ein Umdenken in der Steuerpolitik. Dennoch schreckten die meisten Länder vor höheren Spitzensteuersätzen zurück, weil diese als schädlich für Beschäftigung und Wachstum gelten. Empirisch lasse sich ein negativer Effekt jedoch nicht belegen, so die Wissenschaftler. Gerade die jüngere Literatur komme zur Einschätzung, dass „die ökonomischen Argumente gegen eine progressive Besteuerung wesentlich schwächer sind als zumeist behauptet“. Am Beispiel Deutschland zeigen Godar, Paetz und Truger, dass eine regressive Steuerpolitik mehr Schaden anrichten kann: Steuersenkungen und damit verbundene Einnahmeausfälle seien ein wesentlicher Grund für die Stagnation der Wirtschaft am Beginn der 2000er-Jahre gewesen.

Ein höherer Grad an Progression – also ein Steuersystem, das hohe Einkommen und Gewinne stärker belastet als bisher – könne sogar vorteilhaft für die Volkswirtschaft sein. Der Grund: Der Staat könne höhere Einnahmen für mehr öffentliche Investitionen nutzen, was sich positiv auf das Wachstum auswirkt. Außerdem steigere eine stärkere Umverteilung zugunsten einkommensschwacher Haushalte den privaten Konsum und damit die Nachfrage. Es gebe aktuell „erheblichen Spielraum“ zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf Einkommen, der Unternehmenssteuersätze und der Steuern auf Kapital und Vermögen. Die Regierungen sollten diese Möglichkeiten nutzen, empfehlen die Wissenschaftler.

  • Seit den 1980er-Jahren sind die Steuern auf Unternehmensgewinne in Deutschland und anderen OECD-Ländern deutlich gefallen. Zur Grafik

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