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HBS Böckler Impuls

Alterssicherung: Rentenpläne: Zu kurz gesprungen

Ausgabe 18/2014

Die Altersarmut nimmt bereits heute zu. Die geplante "Lebensleistungsrente" setzt dem nur wenig entgegen.

Menschen ab 65 sind derzeit seltener von Armut bedroht als andere Altersgruppen. Doch die Armutsquote der Rentner steigt seit 2006 beinahe kontinuierlich an und lag mit 13,6 Prozent 2012 nur noch 1,6 Prozentpunkte unter dem Wert der Gesamtbevölkerung. Darauf weist Rudolf Martens hin, der die Forschungsstelle des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes leitet.* Demnach sind 2,3 Millionen Menschen im Rentenalter arm – ein Vielfaches der knapp 500.000 Bezieher von Grundsicherung im Alter. Martens’ Analyse deckt sich mit älteren Untersuchungen aus dem WSI, die zeigen, dass zwischen 2005 und 2011 die Armut unter Senioren deutlich stärker zugenommen hat als bei Jüngeren.

Dass viele ältere Arme keinen Anspruch auf die an Hartz IV orientierte Grundsicherung haben, liegt unter anderen daran, dass sie auf andere, „vorrangige“ Leistungen verwiesen werden. Nach Martens’ Analyse dürfte dies vor allem für rund 315.000 ältere Wohngeldbezieher gelten. Die Mehrheit der Altersarmen bezieht trotz eines Einkommens unterhalb der Armutsschwelle – für Alleinstehende laut Statistischem Bundesamt 869 Euro im Monat – aber weder Grundsicherung noch Wohngeld. Entweder liegt ihr Einkommen knapp unter der Armutsgrenze oder sie nehmen ihre Ansprüche auf Sozialleistungen nicht wahr, so Martens.

Deshalb ist ihre soziale Lage jedoch keineswegs unproblematisch. Im Gegenteil: Armut sei in späteren Lebensphasen wesentlich dramatischer als in jungen Jahren, erklärt der Sozialexperte. Viele jüngere Menschen erlebten Armut nur als Episode. Aber „wenn ein Rentnerhaushalt erst unter die Armutsgrenze gefallen ist, wird sich daran mit fortschreitendem Alter kaum etwas ändern“.

Von Altersarmut bedroht sind Martens zufolge alle, die keine betriebliche Altersversorgung haben und keine privaten Rentenansprüche aufbauen können. Denn seit der Reform von 2001 verfolgte die Rentenpolitik in erster Linie nicht mehr das Ziel, den Lebensstandard zu sichern, sondern die Beiträge stabil zu halten. So stieg die so genannte Eckrente – der Anspruch eines Arbeitnehmers, der sein Leben lang durchschnittlich verdient hat, derzeit 1135 Euro – von 1991 bis 2013 zwar nominal um 30 Prozent. Inflationsbereinigt ging sie aber zurück: Im selben Zeitraum legten die Verbraucherpreise um 51 Prozent zu.

Hinzu kommt, dass die Altersbezüge der Neurentner im Schnitt sinken: Wer heute aus dem Erwerbsleben ausscheidet, erreicht im Regelfall nicht mehr das Rentenniveau früherer Jahrgänge. Während 2003 etwa 40 Prozent der neuen Ruheständler eine Rente unterhalb der Grundsicherungsschwelle bezogen, waren es 2012 bereits 53 Prozent.

Damit Altersarmut nicht zum Massenphänomen wird, plant die Bundesregierung, zumindest Menschen, die lange Beiträge gezahlt haben, mit einer „solidarischen Lebensleistungsrente“ unter die Arme zu greifen. Wer lange eingezahlt, damit aber nur wenige Rentenpunkte gesammelt hat, soll in jedem Fall 30 Entgeltpunkte bekommen. Das entspricht einer Nettorente von 764 Euro in Westdeutschland. Dieser Wert, betont Martens, liegt jedoch nur 20 Euro über der Grundsicherungsschwelle. Und der Abstand dürfte in Zukunft noch schrumpfen. In der jüngeren Vergangenheit stieg die Rente nämlich langsamer als die Grundsicherung, die eher der Preisentwicklung folgt. Nach Martens’ Prognose wird der Wert der für 2017 geplanten „Lebensleistungsrente“ bereits im kommenden oder übernächsten Jahr unter der Grundsicherungsschwelle liegen. Folge: Die Betroffenen müssen trotz höherer Rente Wohngeld oder Grundsicherung beantragen, um das sozialstaatliche Minimum zu erreichen. Und als arm nach der gängigen Definition gelten sie sowieso weiterhin.

  • Die „solidarische Lebensleistungsrente“ ist so knapp bemessen, dass viele ihrer Bezieher nicht um den Gang zum Sozialamt herumkommen werden. Zur Grafik
  • Die Altersarmut nähert sich dem Wert für die Gesamtbevölkerung an. Zur Grafik

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