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Magazin Mitbestimmung

Betriebsräte-Tag: "Mobile Arbeit muss man im Betrieb regeln"

Ausgabe 10/2014

Der Betriebsrätepreis in Gold geht 2014 an BMW für die Betriebsvereinbarung zur mobilen Arbeit. Peter Cammerer, Bereichsbetriebsrat der BMW AG in München, sprach mit dem Magazin Mitbestimmung kurz nach der Preisverleihung über die Knackpunkte.

Peter Cammerer, herzlichen Glückwunsch zum Betriebsräte-Preis in GOLD. Eure Betriebsvereinbarung zur Mobilarbeit wurde euch von den Kollegen geradewegs aus den Händen gerissen. Der Charme ist: Sie hat nur vier Seiten. Wie habt ihr das geschafft?

Ziel war von Anfang an, einfache Regeln zu vereinbaren, die präzise und  dabei leicht verständlich sind. Dass dies bei einem so komplexen Thema möglich ist, hat mich selbst erstaunt, aber wir haben auch lange daran gefeilt. Wir mussten grundlegende Dinge klären: Zum Beispiel, dass die Möglichkeiten der Mobilarbeit grundsätzlich für alle Arbeitnehmer der BMW AG gilt. Und dass alle Arbeiten, die außerhalb der BMW-Betriebe gemacht werden, als Mobilarbeit zählen - nicht nur die an mobilen Computern, sondern auch ein auf Papier erstelltes Konzept.  Nach fast einem Jahr Praxis zeigt sich auch, dass wir nichts übersehen haben, was noch geregelt hätte werden müssen.

Was waren die größten Hürden in den Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite?

Ob und wie wir die Zeit erfassen. Von Arbeitsgeberseite bestand sehr wohl die Überlegung die Mobilarbeit mit Vertrauensarbeitszeit ohne Erfassung zu kombinieren. Wir suchten lange eine Lösung, wie man die hier und dort erbrachte Arbeitszeit erfasst, etwa indem die Beschäftigten das selbst notieren. Im Unternehmen werden Arbeitszeiten als Komm- und Gehzeiten definiert, bei der Mobilarbeit wird die Dauer der Arbeitszeit erfasst – täglich und wöchentlich. Wann genau am Tag mobil gearbeitet wird, wird bei uns nicht, aber die gesamte Dauer je Woche vom Mitarbeiter selbstständig im System erfasst.  Gleichwohl darf die vereinbarte Wochenarbeitszeit nicht überschritten werden – das zu regeln, war nicht einfach. 

Mehr und mehr Beschäftigte können überall und zu jeder Zeit arbeiten. Kann man das in einer Betriebsvereinbarung gut regeln? Oder ist da nicht auch der Gesetzgeber gefragt?

Die meisten Aspekte der Mobilarbeit müssen vom konkreten Betrieb aus betrachtet  und geregelt werden. Uns fiel aber auch auf, dass das Arbeitszeitgesetz sozusagen noch zu stark an den Hochöfen ausgerichtet ist mit Festlegungen wie: nach 10 Stunden kollektiver Arbeit „am Stück“ wird 11 Stunden geruht.  Aber wenn ein Vollzeit-Beschäftigter – im Sinne von Workbalance – bis Mittag im Unternehmen arbeitet, nachmittags mit den Kinder zusammen ist, und am Abend freiwillig noch berufliche Arbeiten erledigt, dann ist das genau genommen nicht kompatibel mit den vorgesehenen gesetzlichen Ruhezeiten.

Die Fragen stellte Cornelia Girndt

Die Preisträger

Den Betriebsrätepreis 2014 in Gold hat das Betriebsratsgremium der BMW AG München erhalten für seine Arbeitszeitregelung zur Mobilarbeit unter dem Motto: „Flexibel arbeiten – bewusst abschalten“. Die mit dem Arbeitgeber abgeschlossene Betriebsvereinbarung legt die Grundlagen für mehr Selbstbestimmung über Arbeitszeit und Arbeitsort für alle BMW-Beschäftigten. Dabei stellt sie klar: Unterwegs oder zuhause erledigte Arbeit zählt genauso als Arbeitszeit. Und - es gibt ein Recht auf Nichterreichbarkeit für die BMW-Beschäftigten. Der Betriebsrat der BMW AG hatte seine definitiven Mitbestimmungsrechte bei Arbeitszeitregelungen genutzt, weil immer mehr mobile Endgeräte genutzt werden, die Mitarbeiter immer länger erreichbar sind und sich auch gesundheitliche Probleme in der Belegschaft gehäuft haben. Dementsprechend heißt es jetzt in der seit Anfang 2014 geltenden Betriebsvereinbarung „Mobilarbeit bezweckt nicht die ständige Erreichbarkeit der Mitarbeiter oder eine über die vertragliche Arbeitszeit hinausgehende Ausweitung des Arbeitsvolumens“, so BMW-Betriebsrat Peter Cammerer. 

Den Betriebsrätepreis 2014 in Silber nahm Betriebsratsvorsitzende Beate Heinert für den AWO Kreisverband Nürnberg e.V. entgegen. Die Arbeitnehmervertreter hatten eine drohende Insolvenz verhindert und die Beschäftigung von rund 50 Mitarbeitern gesichert – und das in einem Tendenzbetrieb. Üblicherweise sind in Tendenzbetrieben die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte massiv eingeschränkt. Davon ließen sich die Betriebsräte der AWO Nürnberg nicht abschrecken. Sie installierten einen Wirtschaftsausschuss, wirkten darauf hin, dass die Geschäftsführung ausgetauscht wird, Gehälter überhaupt wieder und dann noch nach Tarifvertrag gezahlt werden. Womit ihnen gelang, den gewerkschaftlichen Organisationsgrad zu verdreifachen. „Unser Beispiel soll andere Arbeitnehmervertreter in sozialen und kirchlichen Einrichtungen ermutigen, über die Grenzen hinauszugehen, die der §118 BetrVG mit dem Tendenzschutz setzt, sagte Beate Heinert nach der Preisverleihung. 

Der Betriebsrätepreis 2014 in Bronze ging an Betriebsräte der Deutschen Bahn für ihr Projekt „Sicher unterwegs“, das Lösungen erarbeitet hatte, wie man die Beschäftigten gegen die zunehmende Belästigung und Gewalt in Bahnen und Bussen schützt. Den Preis nahm Jürgen Knörzer, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der DB Regio AG Schiene und Bus aus Frankfurt/Main entgegen. Nachdem eine Gewerkschaftsumfrage der EVG ergeben hatte, dass 70 Prozent der Bahn-Kollegen bereits Opfer von Übergriffen geworden waren, war der regionale DB-Betriebsrat zusammen mit der  EVG aktiv geworden: In einer Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber wurden ab 2010 Maßnahmen ergriffen, die von De-Eskalationsschulungen über Sicherheitskonferenzen bis hin zu verbesserter Nachsorge für die Opfer reichen.    

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