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Magazin Mitbestimmung

Betriebsräte-Preis: „Wir haben Recht wiederhergestellt“

Ausgabe 10/2014

An einem Paketumschlagplatz, dem DPD-Depot 147 in Duisburg-Hüttenheim, sollten Lohnkosten gespart werden, zu Lasten der Mitarbeiter, die ausgegliedert wurden. Mit seiner kämpferischen Strategie und dem ver.di-Tarifvertrag hat der Betriebsrat die Pläne vereitelt. Von Carmen Molitor

 Als der ganze Ärger begann, war Tahir Sogukkan als Arbeiter eingesetzt im Paketumschlag von DPD, dem drittgrößten Paketzusteller Deutschlands mit 75 Depots und rund 7500 Beschäftigten. Der Industriemechaniker arbeitete im Depot der DPD GeoPost GmbH in Duisburg-Hüttenheim, wo rund 300 gewerbliche Mitarbeiter Pakete auf den richtigen Weg zur Kundschaft brachten. DPD, ein tarifgebundenes Unternehmen, entschloss sich 2006, in diesem Depot mit der Nummer 147 radikal zu sparen – durch das Outsourcing des Paketumschlags an die Werkvertragsfirma Ergo Logistics GmbH. Zuerst gliederte man die Mitarbeiter der Spätschicht aus. Sogukkan gehörte dazu. Ein Zwei-Klassen-System entstand, das er höchst unmoralisch fand: „An Band sieben, acht und neun machte die Arbeit ein nach Tarif bezahlter Kollege, und an Band zehn, elf und zwölf stand jemand, der für absolut dieselbe Arbeit nur 7,50 Euro die Stunde bekam und kein Weihnachts- und Urlaubsgeld erhielt.“ Nach der Spätschicht bekam die Nachtschicht neue Verträge, so ging es weiter bis alle Mitarbeiter des DPD-Paketumschlags zu prekär Beschäftigten geworden waren. Doch Sogukkan und 51 seiner Kollegen widersprachen vor Gericht erfolgreich dem Betriebsübergang. 

DPD beeindruckte das nicht: Kurzerhand stellte das Unternehmen die 52 Rebellen bei voller Lohnzahlung von der Arbeit frei. Sogukkan, ein Vater von Drillingen, war inzwischen auf Bitten der Kollegen zum Wortführer des Protests geworden. „Wir wussten, klagen reicht nicht. Wir bauten vor dem Werkseingang ein Zelt auf und hielten dort neun Monate lang rund um die Uhr eine Mahnwache ab. Als Signal, dass wir nicht aufgeben“, erzählt der 39-Jährige. Ab dem vierten Monat bezahlte der Arbeitgeber die Löhne nicht mehr. „Wir mussten Hartz IV beantragen. Ehen zerbrachen. Aber wir wussten, dass wir im Recht waren.“ 

Während des Kampfes gaben 20 Mitstreiter auf, nahmen Abfindungen an. Aber ein harter Kern von 32 Kollegen entwickelte einen langfristigen Plan: „Wir wollten die Ausgliederung so teuer machen, dass sie sich für den Arbeitgeber nicht mehr lohnt“, sagt Sogukkan. Sie beendeten den Ausstand, traten ihre Stellen bei der Outsourding firma Ergo Logistics an – zugleich warben sie im Kollegenkreis intensiv für die Mitgliedschaft bei ver.di. Sie erreichten einen Organisationsgrad von 85 Prozent, wählten einen Betriebsrat mit Sogukkan an der Spitz. ver.di begann im März 2011Verhandlungen über einen Tarifvertrag, der dem der DPD ähnelte. Als Ergo Logistics – bereits im Mai – den Speditionstarifvertrag NRW anerkannte, stiegen die Löhne für Lagerarbeiter schlagartig um 40 Prozent, es gab Zuschläge, Sonderzahlungen und mehr Urlaubstage. Ergo Logistics musste höhere Preise kalkulieren. Das Ergebnis: Das Outsourcing lohnte sich für DPD finanziell nicht mehr. 

Das Unternehmen ließ sich 2012 davon überzeugen, alle ausgelagerten Ergo-Mitarbeiter wieder ins Depot zu übernehmen, inklusive der Aushilfen. Und Tahir Sogukkan, inzwischen Betriebsratsvorsitzender im DPD-Depot, schlägt wieder versöhnliche Töne an: „Wir haben gekämpft, und das Recht wurde wieder hergestellt“, sagt er, „aber wir sind keine Zerstörer. Wir können verzeihen und wollen den Betrieb nach vorne bringen.“ Bei Konflikten herrsche jetzt ein anderer Ton: „Der Arbeitgeber sagt jetzt: Frieden!“, lacht Sogukkan. Auch er ist bereit, den Managern die Hand zu reichen und zum Tagesgeschäft zurückkehren: „Wir sind ja alle DPD.“

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