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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Fast jeder Vierte mit Niedriglohn

Ausgabe 15/2013

Der Niedriglohnsektor stagniert auf hohem Niveau: Über 8 Millionen Beschäftigte sind betroffen.

Auch wenn sich der Arbeitsmarkt zuletzt positiv entwickelt hat: Niedriglöhne bleiben ein Problem, von dem fast jeder vierte Beschäftigte betroffen ist. Das zeigt eine Auswertung des Sozio-oekonomischen Panels durch Thorsten Kalina und Claudia Weinkopf vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ). Im Jahr 2011, so die aktuellsten vorliegenden Daten, verdienten 8,1 Millionen Personen weniger als zwei Drittel des mittleren Stundenlohns, also unter 9,14 Euro. Das sind 23,9 Prozent der Beschäftigten. Im Vergleich zu 2010 ist der Anteil zwar leicht zurückgegangen – um 0,7 Prozentpunkte. Seit 1995 hat sich die Zahl der Betroffenen aber um 2,6 Millionen erhöht.

Der durchschnittliche Stundenlohn der prekär Bezahlten liegt noch deutlich unter der Niedriglohnschwelle: 2011 bei 6,46 Euro pro Stunde in Westdeutschland und 6,21 Euro im Osten. Deutschlandweit mussten sich 1,8 Millionen Beschäftigte mit Stundenlöhnen unter 5 Euro begnügen. 2,9 Millionen verdienten weniger als 6 und 4,4 Millionen weniger als 7 Euro. Minijobber bekommen besonders oft sehr niedrige Löhne: Über die Hälfte von ihnen arbeitete 2011 für weniger als 7 Euro pro Stunde, ein Drittel für weniger als 5 Euro. Von einem gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro würde ein Fünftel der gesamten Arbeitnehmerschaft profitieren, so die IAQ-Forscher: Anspruch auf eine Lohnerhöhung hätten fast 7 Millionen Beschäftigte. Bei den geringfügig Beschäftigten wären es zwei Drittel.

Neben Minijobbern gehören Geringqualifizierte zu den Gruppen mit dem höchsten Niedriglohnanteil: Vier von zehn Beschäftigten ohne Ausbildung verdienten weniger als 9,14 Euro. Auch Jüngere, befristet Beschäftigte und Ausländer sind besonders betroffen. Zudem ist unter diesen Gruppen der Anteil der Niedriglöhner seit 2001 mit am stärksten gestiegen.

Doch auch qualifizierte Beschäftigte bekommen deutlich häufiger nur einen Niedriglohn als noch vor einem Jahrzehnt: Ihr Niedriglohnrisiko stieg zwischen 2001 und 2011 um 16,8 Prozent. Insgesamt haben 69,8 Prozent aller Niedriglohnbeschäftigten eine abgeschlossene Berufsausbildung, 8,7 Prozent sogar ein Studium.

Unter den Vollzeitbeschäftigten belief sich der Zuwachs zwischen 2001 und 2011 auf 13,9 Prozent. Bei den Frauen hat der Anteil zwar geringfügig abgenommen – von 29,9 auf 29,6 Prozent. Dennoch müssen sie über alle Arbeitszeitmodelle und Qualifikationsstufen hinweg immer noch wesentlich häufiger mit einem Niedriglohn auskommen als Männer: Selbst bei einer abgeschlossenen Berufsausbildung ist ihr Risiko fast doppelt so hoch.

Die Konsequenzen liegen für Kalina und Weinkopf auf der Hand: Branchenbezogene Mindestlöhne reichten offenbar nicht aus, um Niedrigstlöhne in Deutschland wirksam einzudämmen. „Mit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns würde demgegenüber eine verbindliche Lohnuntergrenze verankert, die in keiner Branche unterschritten werden dürfte und für alle Beschäftigtengruppen gelten müsste“, schreiben die IAQ-Wissenschaftler. Zudem lege der extrem hohe Niedriglohnanteil bei Minijobs nahe, die Sonderregelungen für geringfügige Beschäftigung auf den Prüfstand zu stellen: „Eine Abschaffung der Minijobs könnte einen zusätzlichen Beitrag dazu leisten, den Umfang des Niedriglohnsektors wirksam zu begrenzen.“

  • 8,1 Millionen Beschäftigte verdienten 2011 weniger als zwei Drittel des mittleren Stundenlohns, also unter 9,14 Euro. Zur Grafik
  • Geringfügig Beschäftigte gehören zu den Gruppen mit dem höchsten Niedriglohnrisiko. Zur Grafik

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