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Magazin Mitbestimmung

Erbschaftsteuer: Eine Erhöhung ist angesagt

Ausgabe 06/2013

Katja Rietzler, Steuerexpertin des IMK, zeigt wie die Erbschaftsteuer reformiert werden könnte. Der Zeitpunkt scheint günstig: Denn vermutlich ist die aktuelle Ausgestaltung der Steuer nicht verfassungskonform.

Deutschland mag manchem im krisengebeutelten Europa als leuchtendes finanzpolitisches Vorbild erscheinen. Tatsächlich fehlt dem Staat aber das Geld. Beispielsweise sind seit etwa zehn Jahren die öffentlichen Nettoinvestitionen negativ, das heißt, der öffentliche Sektor zehrt seine Substanz auf. Wollen wir einen handlungsfähigen Staat und eine moderne Infrastruktur, müssen wir die Steuern erhöhen. Dabei scheint auch eine Erhöhung der Erbschaftsteuer angebracht.

Das würde nicht nur die Konjunktur wenig belasten. Es würde Deutschland auch ein Stück gerechter machen. Derzeit sind die Vermögen nämlich noch ungleicher verteilt als die Einkommen: Rund zwei Drittel des Vermögens gehören dem reichsten Zehntel der Bevölkerung. Für eine Erhöhung spricht auch, dass die Bundesländer, denen die Steuer zusteht, von den Steuersenkungen der vergangenen Jahre am stärksten betroffen waren. Sie sind zur Erfüllung ihrer Aufgaben – etwa im Bildungsbereich – dringend auf höhere Einnahmen angewiesen.

Der Zeitpunkt für eine entsprechende Reform scheint günstig. Im Herbst 2012 hat der Bundesfinanzhof das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird das Bundesverfassungsgericht das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz in seiner aktuellen Fassung für verfassungswidrig erklären. Nach Auffassung der Richter am Bundesfinanzhof verstößt die Überprivilegierung von Betriebsvermögen im aktuellen Recht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Damit muss neu über die Erbschaftsteuer nachgedacht werden. Das bietet die Chance, das im internationalen Vergleich geringe Aufkommen von 0,16 % des Bruttoinlandsprodukts (4,3 Milliarden Euro) deutlich zu erhöhen. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten: die Anhebung von Steuersätzen, die Senkung von Freibeträgen und die volle Besteuerung von Betriebsvermögen.

Durch die letzte Erbschaft- und Schenkungsteuerreform 2009 wurden so weitgehende Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen eingeführt, dass dieses, wenn es vererbt oder verschenkt wird, häufig gar nicht mehr besteuert wird. Auch die Abgrenzung zwischen Privat- und Betriebsvermögen ist unzureichend. Vielfach werden Privatvermögen als Betriebsvermögen in einer „Cash GmbH“ deklariert und vollständig am Fiskus vorbeigeschleust. Doch das Problem, mit dem die Reform begründet wurde, hat nie existiert. Entgegen manchen Behauptungen waren Unternehmen auch vor der Reform nicht durch Erbschaft- und Schenkungsteuer in ihrem Bestand bedroht. Durch großzügige Steuerstundungsmöglichkeiten konnte die Erbschaftsteuerschuld über bis zu zehn Jahre gestreckt werden, wenn dies zum Erhalt des Unternehmens notwendig war. Eine erneute Reform der Erbschaftsteuer könnte also zur alten Regelung zurückkehren. Erste Schritte könnten schon vor der Bundestagswahl erfolgen, da sich derzeit Bundestag und Bundesrat mit der Schließung von Schlupflöchern befassen.

Bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer werden drei Steuerklassen unterschieden. Je nach Verwandtschaftsgrad und Art des Erwerbs – Erbschaft oder Schenkung – bewegen sich die Freibeträge zwischen 20.000 und 500.000 Euro. Die Steuersätze hängen ebenfalls vom Verwandtschaftsgrad ab und steigen mit der Höhe der Erbschaft oder der Schenkung. Für nahe Verwandte wie zum Beispiel Ehepartner und Kinder in der Steuerklasse I beträgt der Eingangssteuersatz sieben Prozent und der Spitzensteuersatz 30 Prozent. Entferntere Verwandte, aber auch Eltern und Geschwister zahlen zwischen 15 und 43 Prozent, für alle Übrigen beträgt der Steuersatz 30 Prozent oder 50 Prozent. Nach der Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik lag der durchschnittliche Steuersatz im Jahr 2011 bei 16,7 Prozent.

Die Steuersätze können teilweise noch moderat angehoben werden. Allerdings sind die Spitzensteuersätze der drei Steuerklassen mit 30 Prozent, 43 Prozent und 50 Prozent – zumindest auf dem Papier – nicht niedrig. Um das Aufkommen zu verdoppeln, müsste bei unveränderten Freibeträgen und unveränderter Besteuerung beim Betriebsvermögen der durchschnittliche Steuersatz auf 32,4 Prozent ansteigen. Die dazu erforderlichen Erhöhungen wären vermutlich schwer durchzusetzen.

Eine Aufkommenserhöhung scheint daher kaum ohne eine deutliche Absenkung der Freibeträge vor allem in der Steuerklasse I realisierbar. Die Freibeträge von derzeit 500.000 Euro für Ehe- oder Lebenspartner und 400.000 Euro für Kinder scheinen ziemlich hoch: Selbst im 9. Dezil, also dem zweitreichsten Zehntel der Bevölkerung, beträgt das durchschnittliche Vermögen je Person nach Berechnungen des DIW Berlin nur fast 160.000 Euro. Es liegt also deutlich unter dem aktuellen Freibetrag. Würde man die Freibeträge für diese nächsten Verwandten generell auf 200.000 Euro senken, wäre nach wie vor der größte Teil der Erben nicht betroffen.

Prognosen für die Aufkommenswirkung sind dabei schwierig, weil über Erbschaften und Schenkungen nur unzureichende statistische Daten vorliegen – besonders für den Teil, der momentan keine Erbschaftsteuer zahlt. Je nachdem wie man versucht, den Umfang der Erbschaften zu berechnen, kommt man zu unterschiedlichen Einnahmeprognosen. Hermann-Ulrich Viskorf, einer der Richter am Bundesfinanzhof, die das aktuelle Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz für verfassungswidrig halten, hat einen Vorschlag unterbreitet, der mit Freibeträgen von 100.000 Euro für nahe Verwandte und 20.000 Euro für alle Übrigen sowie einem einheitlichen Steuersatz von zehn Prozent ein Aufkommen von zehn bis zwölf Milliarden Euro generieren will. Hier ist aber Skepsis angebracht. Schätzungen von Wissenschaftlern der Humboldt-Universität kommen zu einem jährlichen Umfang an Vermögensübertragungen von unter 70 Milliarden Euro. Selbst bei einem völligen Verzicht auf Freibeträge könnte bei einem Steuersatz von zehn Prozent maximal ein Aufkommen von sieben Milliarden Euro generiert werden. Der Verzicht auf die Steuerprogression würde jedoch nicht nur das Aufkommen zu gering ausfallen lassen. Angesichts der erheblichen Ungleichverteilung von Vermögen wäre er auch verteilungspolitisch hochproblematisch.

Will man das Aufkommen deutlich erhöhen – beispielsweise, wie von den Grünen angestrebt, auf das Doppelte – dürfte dies nur sinnvoll mit einer Kombination der drei Maßnahmen höhere Steuersätze, niedrigere Freibeträge und Besteuerung von Betriebsvermögen funktionieren.

 

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