Quelle: HBS
Böckler ImpulsAtypische Beschäftigung: Normalarbeit auf dem Rückzug
Im Boomjahr 2010 wuchs ausschließlich die atypische Beschäftigung: Teilzeit, Leiharbeit, Minijobs. Das zeigen aktuelle Daten des WSI.
Nach der Wirtschaftskrise waren 2010 die Auftragsbücher deutscher Unternehmen wieder voll. Die Zahl der so genannten Normalarbeitsverhältnisse – eine unbefristete, sozialversicherungspflichtige Vollzeittätigkeit, die keine Leiharbeit ist – ging dennoch zurück. Darauf weist WSI-Forscher Alexander Herzog-Stein hin. Der Arbeitsmarkt-Experte hat die neuesten Zahlen der WSI-Datenbank „Atypische Beschäftigung“ ausgewertet. Danach sank die absolute Zahl der Normalarbeitsverhältnisse von 2008 bis 2010 um 133.000. Ihr Anteil an allen Beschäftigungsverhältnissen in der Privatwirtschaft ging sogar überproportional zurück, von 62,3 auf 61,2 Prozent. Denn zeitgleich nahmen Teilzeit und Minijobs stetig zu, im vergangenen Jahr auch wieder die Leiharbeit, nach einem Einbruch im Jahr 2009.
Die WSI-Datenbank ermöglicht einen detaillierten Blick auf die Entwicklung der atypischen Beschäftigung in einzelnen Städten und Landkreisen. Hier zeigt sich: In einigen ländlichen Regionen Westdeutschlands machen Leiharbeit, Minijobs und Teilzeit fast die Hälfte der Beschäftigungsverhältnisse aus. Zwar kommt es in der Statistik zu Überschneidungen, wenn Leiharbeitnehmer in Teilzeit arbeiten. Doch die dürften eher gering sein: Leiharbeit ist eine männlich dominierte Beschäftigungsform, gleichzeitig arbeiten Männer selten in Teilzeit.
Für Frauen gilt: Sogar über die Hälfte aller in der Privatwirtschaft Beschäftigten arbeitet atypisch. Auch hier finden sich die Spitzenreiter mit bis zu 70 Prozent im ländlichen Raum tief im Westen. Auffällig ist der überdurchschnittlich hohe Anteil an Minijobs. „Dies ist sehr bedenklich, weil Minijobber keine eigenständige Absicherung über die Sozialversicherungen haben und der Niedriglohnanteil unter den Minijobbern sehr hoch ist“, sagt der WSI-Forscher. Im Dienstleistungsbereich würden Minijobs häufig als staatlich legitimiertes Instrument zum Drücken der Löhne genutzt. „Mit ihrer Absicht, die Minijob-Verdienstgrenze auf 450 Euro anzuheben, verschärft die Regierung dieses Problem noch“, befürchtet Herzog-Stein.
WSI-Datenbank „Atypische Beschäftigung“