Projektbeschreibung
Kontext
In den letzten Jahren hat sich der Sozialsektor in Deutschland durch verschiedene politische Maßnahmen hin zu einer Sozialwirtschaft entwickelt, die man auch als betriebswirtschaftliche Revolution bezeichnen kann. Diese führt in kirchlichen Einrichtungen und bei kirchlichen Trägern zu einer Ausgründungspraxis sowie zur Nutzung von Leiharbeit, die im Widerspruch zu den normativen Postulaten einer Dienstgemeinschaft steht. Hinzu kommt der Tatbestand, dass der von den kirchlichen Verbänden praktizierte Dritte Weg den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fundamentale Rechte wie das Streikrecht vorenthält, so dass die im Wettbewerb stehenden kirchlichen Einrichtungen sich betriebswirtschaftlich besonders günstige Ausgangsbedingungen schaffen können. Zudem existieren auf landeskirchlicher Ebene unterschiedliche Grade der satzungsmäßigen Steuerung diakonischer Unternehmen, die eine weitere Differenzierung der Arbeitsbedingungen erzeugen.
Fragestellung
Die Fragestellung bezieht sich auf den Umfang von Ausgründungen und Nutzung von Leiharbeit in diakonischen Einrichtungen in Deutschland. Zugleich wird nach den Strukturen der Ausgliederung und der Zuordnung ausgegründeter Betriebe zur Diakonie gefragt. In Fallstudien werden die Praxen der betriebswirtschaftlichen Modernisierung betrachtet und mit Blick auf ihre Folgen für die Logik des Dritten Wegs analysiert.
Untersuchungsmethoden
Wesentliche Untersuchungsmethoden sind eine schriftliche Befragung (halbstandardisiert) von Mitarbeitervertretungen, mündliche Interviews mit Mitarbeitervertretern in allen landeskirchlichen Diakonischen Werken, mündliche Interviews mit ausgewählten Geschäftsführungen Diakonischer Werke und drei Fallstudien von Diakonischen Betrieben bzw. der Diakonie in Ostdeutschland.
Darstellung der Ergebnisse
Zentrales Ergebnis der Studie ist die Erkenntnis, dass Ausgründungen in der Diakonie flächendeckend und in den vielfältigsten Formen betrieben wird.
- Die Ausgründungspraxis dient der Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen und der Senkung von Arbeitskosten.
- Die Zuordnung ausgegründeter Betriebe zum Diakonischen Werk ist unklar und uneinheitlich.
- Die Nutzung von Leiharbeit in diakonischen Einrichtungen ist übliche Praxis. Einige diakonische Sozialunternehmen unterhalten eigene Leiharbeitsunternehmen. Anders als Ausgliederungen ist "ersetzende" Leiharbeit aber kein flächendeckendes Phänomen. Zudem hat ihre Bedeutung abgenommen.
- Hervorzuheben sind weitere vom Dritten Weg abweichende Formen der Arbeitsgestaltung: die Nutzung von einseitig durch den Arbeitgeber festgelegte Arbeitsbedingungen bei einigen Fachverbänden, Einzelarbeitsverträge als Instrument unternehmerischer Lohnkostensenkung und die unterschiedlichen landeskirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien, die je nach Satzung auch in anderen landeskirchlichen Diakonien genutzt werden können.
-Normatives Postulat und Empirie des Dritten Wegs weichen strukturell voneinander ab.