Projektbeschreibung
Kontext
Im April 2008 waren in Baden-Württemberg 233.575 Menschen, das waren 4,2 Prozent aller zivilen Erwerbspersonen, als arbeitslos registriert. Damit wies das Land die niedrigste Arbeitslosenquote aller Bundesländer auf. 59 Prozent der als arbeitslos registrierten Menschen bezogen Arbeitslosengeld II.
Insgesamt waren jedoch 335 966 Menschen als erwerbsfähige Hilfebedürftige auf Arbeitslosengeld II angewiesen. In ihren Haushalten lebten weitere 145 271 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige, ganz überwiegend Kinder unter 15 Jahre, die ebenfalls auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II), nämlich auf das so genannte Sozialgeld, angewiesen waren.
Die Forschungsfragen zur SGB II-Evaluation sind zumeist aus der Perspektive des staatlichen Steuerungsinteresses entwickelt. In diesem Projekt ging es darum, das Erleben der Politikbetroffenen zu erkunden, die ein Eigeninteresse an der Erhaltung ihrer Handlungsfähigkeit haben.
Fragestellung
Gefragt wurde nach den Erfahrungen der Adressaten mit der Umsetzung und den Auswirkungen des SGB II auf ihre Lebenslage. Im Einzelnen wurde erkundet,
- welche Aspekte von Arbeitslosigkeit und Armut welche Gruppen von Betroffenen in welchem Ausmaß als belastend erleben,
- mit welcher Intensität Bezieher/-innen von ALG II Erwerbsarbeit suchen und warum welche Gruppen die Arbeitssuche eingeschränkt oder eingestellt haben,
- welche Probleme der Gewährung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bewältigt werden müssen,
- welche Wünsche im Hinblick auf die Entwicklung beruflicher Zukunftsperspektiven SGB II-Adressaten haben,
- wie sie den Nutzen der ihnen tatsächlich gewährten Eingliederungsleistungen einschätzen und
- aus welchen Gründen sie zusätzliche Einbußen an Sicherung ihres Lebensunterhaltes aufgrund von Sanktionen für tatsächliche oder vermeintliche mangelnde Verfügbarkeit ertragen müssen.
Untersuchungsmethoden
Die Erhebung erfolgt von Mitte April bis Ende Juli 2008 mittels eines umfangreichen, weitgehend, aber nicht vollständig standardisierten Fragenbogens. Der Fragebogen wurde über unterschiedlichste Institutionen, die Kontakt zu SGB II-Adressaten haben, verteilt und im Internet zur Verfügung gestellt. Innerhalb des Erhebungszeitraums sind 429 Fragebögen ausgefüllt und zurückgeschickt worden.
Darstellung der Ergebnisse
- Die Befragten fühlen sich zu sehr hohen Anteilen sozial desintegriert.
- Hierzu trägt neben der unzureichenden Grundsicherung vor allem auch das Brachliegen beruflicher Fähigkeiten bei.
- Mehr als die Hälfte der Befragten leidet unter dem Verlust der Lebensfreude.
- 9 Prozent der Befragten sind umgezogen, weil ihre vorherigen Wohnkosten als zu hoch galten; 5 Prozent waren zum Befragungszeitpunkt aufgefordert, die Wohnkosten zu reduzieren.
- Bei weiteren 28 Prozent werden die Wohnkosten nur teilweise übernommen.
- 32 Prozent der Befragten sind nur noch mäßig intensiv arbeitsuchend. Die meisten von ihnen haben die Hoffnung auf den Erfolg solcher Bemühungen verloren, was aber nicht bedeutet, dass sie nicht erwerbstätig sein wollen.
- Beträchtliche Anteile der Befragten haben arbeitsmarktgerechte Wünsche zu ihrer beruflichen Qualifizierung beziehungsweise Weiterqualifizierung, die ganz überwiegend auf die Ablehnung der SGB II-Träger stoßen.
- In so genannten Arbeitsgelegenheiten werden zu einem großen Teil öffentliche Aufgaben erfüllt, die vor 2005 als reguläre Erwerbstätigkeiten erfüllt wurden.