Forschungsprojekt: Arbeitslose ohne Leistungsansprüche

: Analyse von Hintergründen, sozialer Situation und der Dynamik im Lebensverlauf

Projektziel

Im Projekt wurde erstmals auf breiterer empirischer Basis der Status von Arbeitslosen untersucht, die weder Anspruch auf Arbeitslosengeld I nach Sozialgesetzbuch (SGB) III noch auf Grundsicherungsleistungen nach SGB II haben. Im Jahr 2015 waren davon in Deutschland rund 208.000 Personen oder etwa ein Viertel aller SGB III-Arbeitslosen betroffen, wobei Frauen etwas überrepräsentiert waren.

Veröffentlichungen

Betzelt, Sigrid und Tanja Schmidt, 2018. Konstellationen der Angst. Arbeitslosigkeit mit und ohne Leistungsbezug im neuen Wohlfahrtsstaat, In: Betzelt, Sigrid; Bode, Ingo (Hrsg.), Angst im neuen Wohlfahrtsstaat: Kritische Blicke auf ein diffuses Phänomen. Angst im neuen Wohlfahrtsstaat: Kritische Blicke auf ein diffuses Phänomen, Baden-Baden: Nomos, S. 147-180.

Betzelt, Sigrid, 2017. Arbeitslose ohne Leistungsansprüche: Analyse von Hintergründen, sozialer Situation und Dynamik im Lebensverlauf, Berlin, 16 Seiten.

Weitere Informationen

Dr. Tanja Schmidt (INES Berlin)
http://www.ines-berlin.de

Mareike Ebach (ZEP Partner Berlin)
http://www.zep-partner.de

Prof. Dr. Sigrid Betzelt (HWR Berlin)
http://www.hwr-berlin.de

Projektbeschreibung

Kontext

Die Problematik Arbeitsloser ohne Leistungsbezug ist nicht völlig neu, hat sich aber mit den Hartz-Reformen verschärft. Sie ergab sich vor "Hartz IV", wenn Personen aufgrund diskontinuierlicher Erwerbsbiografien keine Ansprüche in der Arbeitslosenversicherung aufbauen konnten und sie mangels Bedürftigkeit auch keine Arbeitslosen- oder Sozialhilfe erhielten. Mit den Hartz-Reformen gingen der Wegfall der Arbeitslosenhilfe, verengte Zugangsbedingungen für Versicherungsleistungen und die vollständige Anrechnung von Partnereinkommen bei der Bedürftigkeitsprüfung für Arbeitslosengeld II einher. Dies hatte zur Folge, dass besonders für Personen in Paar-Haushalten (und vor allem für Frauen) der Zugang zu Sozialleistungen und sozialer Absicherung erschwert wurde. Zudem entstanden zwischen SGB II und SGB III neue Schnittstellenprobleme. Die Zuordnung zu den Rechtskreisen variiert je nach materieller Lage des Haushalts, insbesondere dem Erwerbsstatus des Partners/der Partnerin.

Fragestellung

Zunächst zielte das Projekt auf eine systematische Aufarbeitung der komplexen Hintergründe der Entstehung von Arbeitslosigkeit ohne Leistungsanspruch: Welche Varianten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsanspruch gibt es? Welche Rolle spielen verschiedene Einkommensarten einschließlich Sozialtransfers, Rentenansprüchen sowie Vermögen aus selbst genutztem Wohnraum für die sozialrechtliche Nichthilfebedürftigkeit nach SGB II? Auf dieser Basis wurde das Phänomen Nichtleistungsbezug in seiner Vielfalt und Dynamik unter Einbezug der privaten Haushaltskontexte untersucht: Wie häufig und welcher Art sind Zu- und Abgänge in / aus dem Status Nichtleistungsbezug? Wohin finden diese Statusübergänge statt und welche Einflussgrößen gibt es? Gibt es typische Erwerbsverlaufsmuster? Wie wird der Status und seine Entstehung sowie die Aktivierungspraxis der Bundesagentur von den Personen subjektiv erlebt und welche individuellen Handlungsstrategien finden sich?

Untersuchungsmethoden

Das Projekt verfolgte ein mixed-methods design quantitativer und qualitativer Methoden: 1. Auf Basis des Haushalts-Panels PASS des IAB Nürnberg wurden komplexe, detaillierte Quer- und Längsschnittanalysen in der Gruppe der Nichtleistungsbeziehenden in den Befragungswellen 2006 bis 2013 und ihres Haushaltskontexts durchgeführt (gepoolte Querschnittanalysen; deskriptive Sequenzanalysen der Erwerbsverläufe; multivariate Panelanalysen sowie Ereignisanalysen der Statusübergänge). Insgesamt wurden 16.335 Personen einbezogen. 2. Biografische, problemzentrierte Interviews mit 19 Nichtleistungsbeziehenden (NLB) zielten auf ein tieferes Verständnis der individuellen Hintergründe des Nichtleistungsbezugs, der Erwerbsverläufe und (Paar-) Konstellationen im Haushaltskontext und der individuellen Handlungsstrategien. Dabei diente die Typisierung von NLB auf Basis der quantitativen und der institutionellen Analysen als Grundlage für die Samplebildung. Ergänzend wurden ExpertInnengespräche geführt.

Darstellung der Ergebnisse

Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug kommt relativ häufig vor, insbesondere bei Personen mit diskontinuierlichen Erwerbsverläufen, nach Familienphasen, langjähriger Berufstätigkeit und anschließender andauernder Langzeitarbeitslosigkeit oder nach der Ausbildung an der Schwelle zum Berufseinstieg. Die Einkommenssituation der betroffenen Haushalte ist (aufgrund häufiger Vollzeit beschäftigter PartnerInnen) etwas besser als bei anderen Arbeitslosen, doch die mittleren Einkommen und Ersparnisse sind niedrig. Übergänge in Erwerbstätigkeit gelingen relativ selten (Männer: 25%, Frauen 15%), die Dauer des Verbleibs – besonders für Frauen und Ältere – ist relativ lang. Arbeitslose ohne Leistungsanspruch sind i.A. stark erwerbsorientiert, erfahren jedoch relativ wenig Unterstützung, Aufklärung und Förderung seitens der Bundesagentur für Arbeit. Sie fühlen sich oft benachteiligt gegenüber Leistungsbeziehenden. Als belastend wird die prekäre finanzielle Situation und Abhängigkeit vom Partner bzw. der Partnerin erlebt. Teils werden vermutete Leistungsansprüche auf ALG II aus Angst vor Stigmatisierung und staatlichen Eingriffen in die Privatsphäre nicht realisiert.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Prof. Dr. Sigrid Betzelt
Hochschule für Wirtschaft und Recht FB 1 Wirtschaftswissenschaften

Bearbeitung

Mareike Ebach
Hochschule für Wirtschaft und Recht FB 1 Wirtschaftswissenschaften

Dr. Tanja Schmidt
Schmidt-Sozialforschung

Olga Kedenburg
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin School of Economics and Law

Kontakt

Christina Schildmann
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung

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